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Benedikt-Anliegen

„Unerschütterliche Liebe zur Wahrheit“

 

Der Heilige Vater nahm die Verleihung des diesjährigen Ratzinger-Preises zum Anlass, seinen Vorgänger im Petrusamt zu würdigen

Papst Franziskus besucht Benedikt XVI. vor dessen 92. Geburtstag am 15. April 2019 im Vatikan, beide Männer sitzen nebeneinander im Sessel.

Am 13. November 2021 hat Papst Franziskus in der Sala Clementina im Vatikan zwei deutsche Wissenschaftler mit dem „Ratzinger-Preis“ 2021 geehrt. Die Auszeichnung ging an die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und den Theologen Ludger Schwienhorst-Schöneberger. Der Preis wird vom wissenschaftlichen Beirat der vatikanischen Stiftung "Joseph Ratzinger - Benedikt XVI.“ vergeben. Der „Premio Ratzinger“, der auch als „Nobelpreis“ der Theologie bezeichnet wird, wurde zum elften Mal verliehen. Da im vergangenen Jahr die Preisübergabe coronabedingt entfallen musste, wurden diesmal auch die Preisträger des Vorjahres geehrt: Die australische Theologin Tracey Rowland und der französische Philosoph Jean-Luc Marion. Wir dokumentieren die Ansprache von Papst Franziskus bei der Preisverleihung im vollen Wortlaut in einer eigenen deutschen Arbeitsübersetzung:

Liebe Brüder und Schwestern,

ich heiße Euch alle von Herzen willkommen. Kardinal Ravasi, Bischof Vorderholzer und Pater Lombardi danke ich für ihre einführenden Worte.

Ich begrüße die hier anwesenden Personen, die mit dem Ratzinger-Preis ausgezeichnet worden sind: Herrn Professor Jean-Luc Marion und Frau Professor Tracey Rowland​​​​​​​, deren Auszeichnung wir im vergangenen Jahr wegen der Pandemie nicht feierlich begehen konnten; Frau Professor Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und Herrn Professor Ludger Schwienhorst-Schönberger, die den Preis in diesem Jahr erhalten. Ich freue mich auch, ihre Familienangehörigen und Freunde hier zu empfangen.

In seiner Ansprache bei der Verleihung des Ratzingerpreises hob Papst Franziskus die Verdienste seines Vorgängers hervor. Er steht vor Kardinälen, Bischöfen und den Preisträgern.

Hohe kulturelle Verdienste

Des weiteren begrüße ich die Verantwortlichen der „Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung“, die Mitglieder des wissenschaftlichen Ausschusses, des Verwaltungsrats und des Kollegiums der Auditoren mit ihren Unterstützern, Freunden und Mitarbeitern.

Ich freue mich, dass wir die schöne Tradition dieser Begegnung nach der Unterbrechung im vergangenen Jahr wieder aufnehmen können. Die willkommene Teilnahme verschiedener Persönlichkeiten, die in den vorhergehenden Jahren prämiert worden sind, zeigt ebenfalls, dass dieser Akt nicht nur die hohen kulturellen Verdienste einiger Gelehrter und Künstler anerkennt, sondern auch eine dauerhafte Verbindung, eine fruchtbare Beziehung für die Präsenz und den Dienst der Kirche in der Kulturwelt darstellt.

Die Dynamik des Verstandes und des menschlichen Geistes kennt wirklich keine Grenzen.

Papst Franziskus mit den Preisträgern der Jahre 2020 und 2021: (v.r.) Tracey Rowland und Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz. Links neben dem Papst: Jean-Luc Marion und Ludger Schwienhorst-Schönberger. Ganz links: Pater Federico Lombardi SJ.

Die Gemeinschaft der Preisträger wird jedes Jahr größer: nicht nur, was ihre eigentliche Zahl, sondern auch, was die Vielfalt der Länder betrifft, die hier vertreten sind – fünfzehn sind es mittlerweile, in allen Kontinenten einschließlich Ozeaniens. So haben wir heute Frau Professor Rowland bei uns, die – dank der jüngsten Wiederaufnahme der Reisemöglichkeiten – eigens aus Australien gekommen ist. Wie wir gehört haben, erweitert sich auch der Rahmen der Forschungsdisziplinen und  Kunstrichtungen.

Die Dynamik des Verstandes und des menschlichen Geistes kennt wirklich keine Grenzen im Bereich des Wissens und des Schaffens. Hier haben wir es mit dem „Funken“ zu tun, den Gott in dem nach seinem Bild geschaffenen Menschen entzündet, der es vermag, immer neue Bedeutungen in der Schöpfung und in der Geschichte zu suchen und zu finden und die Lebendigkeit des Geistes immer wieder durch Formung und Verwandlung der Materie auszudrücken.

Doch die Früchte der Forschung und der Kunst reifen nicht zufällig und ohne Mühe. Die Anerkennung gebührt daher gleichzeitig dem langen und geduldigen Einsatz, den sie erfordern, um zur Reifung zu gelangen. Die Schrift bezeichnet die Schöpfung Gottes als eine „Arbeit“. Erweisen wir also nicht nur der Tiefe der Gedanken oder Schriften oder der Schönheit der künstlerischen Werke unsere Ehre, sondern auch der Arbeit, die großherzig und hingebungsvoll über viele Jahre hinweg verrichtet wurde, um das immense menschliche und geistliche Gut, das es zu teilen gilt, zu bereichern. Es handelt sich um einen unschätzbaren Dienst für die Erhebung des Geistes und der menschlichen Würde, für die Qualität der Beziehungen in der menschlichen Gemeinschaft sowie für die Fruchtbarkeit des kirchlichen Auftrags.

Die Ratzinger-Preisträger mit Pater Lombardi bei Papst em. Benedikt XVI.

Große Lehrer der Philosophie und Theologie unserer Zeit

Schon die kurze Vorstellung der Preisträger und ihrer Arbeiten, die wir soeben gehört haben, reicht aus, um unser Interesse zu entfachen und uns von den geistlichen Strömungen anziehen zu lassen. Sie hat uns dazu eingeladen, von der philosophischen Reflexion über die Religion zum Hören und zur Auslegung des Wortes Gottes zu schweifen, vom Hohenlied zur Phänomenologie des Seins und der Liebe als Geschenk. Es wurde an die Namen der wichtigsten Vertreter unserer geistigen Arbeit erinnert: große Lehrer der Philosophie und Theologie unserer Zeit, von Guardini zu De Lubac, von Edith Stein zu Lévinas, Ricoeur und Derrida bis zu McIntyre; und man könnte weitere hinzufügen. Sie erziehen uns zum Nachdenken, um die Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen immer tiefer zu leben, um das menschliche Handeln nach den Tugenden und vor allem nach der Liebe auszurichten.

Zu diesen Lehrern zählt ein Theologe, der seine Reflexion und seinen kulturellen Dialog gleichzeitig in alle diese Richtungen zu öffnen und aus ihnen Nahrung zu beziehen wusste, da der Glaube und die Kirche in unserer Zeit leben und Freunde jeder Suche nach der Wahrheit sind. Ich rede von Joseph Ratzinger.

Dieser Preis wird zu Recht im Namen meines Vorgängers verliehen. Es ist also für mich die Gelegenheit, nochmals, gemeinsam mit Euch, voller Liebe, Dankbarkeit und Bewunderung unsere Gedanken auf ihn zu richten.

Vor wenigen Monaten haben wir aus Anlass des siebzigsten Jahrestags seiner Priesterweihe gemeinsam mit ihm dem Herrn gedankt; und wir spüren, dass er uns mit seinem Gebet begleitet, indem er den Blick beständig auf den Horizont Gottes ausrichtet. Man braucht ihn nur anzuschauen, um das wahrzunehmen. Heute danken wir ihm im Besonderen, weil er auch ein Vorbild der leidenschaftlichen Hingabe an das Studium, an die Forschung, an die schriftliche und mündliche Kommunikation gewesen ist; und weil er seine Suche auf kulturellem Gebiet stets vollständig und harmonisch mit seinem Glauben und seinem Dienst für die Kirche verbunden hat.

Papst Franziskus macht das Kreuzzeichen am Ende des Gebetes während der Verleihung des Ratzingerpreises.

Benedikts Jesus-Trilogie: „Ein einmaliges persönliches Zeugnis seiner beständigen Suche nach dem Antlitz des Herrn“.

Vergessen wir nicht, dass Benedikt XVI. bis zum Ende seines Pontifikats stets weiter geforscht und geschrieben hat. Vor etwa zehn Jahren, während er seiner Regierungsverantwortung nachkam, hat er sich bemüht, seine Jesus-Trilogie fertigzustellen und uns so ein einmaliges persönliches Zeugnis seiner beständigen Suche nach dem Antlitz des Herrn zu hinterlassen. Es ist die wichtigste Suche von allen, die er dann im Gebet weitergeführt hat. Wir fühlen uns davon inspiriert und ermutigt und versichern ihm, seiner vor dem Herrn im Gebet zu gedenken.

Wie wir wissen, sind die Worte „cooperatores veritatis“ aus dem dritten Johannesbrief das Motto, das er sich erwählt hat, als er Erzbischof von München wurde. Sie bringen den roten Faden der verschiedenen Etappen seines gesamten Lebens zum Ausdruck, vom Studium bis zur akademischen Lehre, zum Bischofsamt, zum Dienst für die Glaubenskongregation – zu dem er vor vierzig Jahren vom heiligen Johannes Paul II. berufen wurde – bis hin zum Pontifikat, gekennzeichnet durch ein leuchtendes Lehramt und eine treue Liebe zur Wahrheit. „Cooperatores Veritatis“ ist daher auch das Motto, das auf der Urkunde prangt, die den Preisträgern ausgehändigt wird, auf dass es sie weiter in ihrem Engagement inspirieren möge.

Es sind Worte, von denen auch jeder von uns sich in seinen Handlungen und in seinem Leben inspirieren lassen kann und muss und die ich Euch allen, liebe Freunde, gemeinsam mit meinem Segen als guten Wunsch mit auf den Weg geben. Danke.

Papst Franziskus betritt den Saal zur Preisverleihung des Ratzinger-Preises, die Preisträger stehen zu seiner Rechten.
Bischof aus Regensburg Rudolph Voderholzer spricht bei der Ratzinger-Preis Verleihung vor Papst Franzsikus.
Überreichung des Ratzinger-Preises an Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz durch Papst Franziskus.
Überreichung des Ratzinger-Preises an Tracey Rowland durch Papst Franziskus.
Überreichung des Ratzinger-Preises an Jean-Luc Marion durch Papst Franziskus.
Überreichung des Ratzinger-Preises an Ludger Schwienhorst-Schönberger durch Papst Franziskus.
Preisträger des Ratzingerpreises sitzen bei der Verleihung in der ersten Reihe. Zu sehen sind links Jean-Luc Marion dann Tracey Rowland und Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und ganz rechts sitzt Ludger Schwienhorst-Schönberger.
Papst Franziskus hört aufmerksam dem Redner bei der Ratzingerpreisverleihung zu.
Papst Franziskus sprich vor den Bischöfen und Kardinälen bei der Preisverleihung des Ratzinger-Preises.
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