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Benedikt-Anliegen

Ohne Gott kann das Leben nicht gelingen!

In seiner Predigt bei der Heiligen Messe in München am 10. September 2006 rief Benedikt XVI. dazu auf, sich von der Schwerhörigkeit Gott gegenüber zu befreien und stelle die Gottesfrage in den Mittelpunkt.

 

von Dr. Franz-Xaver Heibl

Portrait Franz Xaver Heibl, junger Mann mit Brille

Frühmorgens am 10. September 2006 war ich mit einem Bus voll von Jugendlichen als Kaplan unterwegs nach München, um den Papst-Gottesdienst mitzufeiern. Alle waren sehr gespannt, was dort auf sie zukommen würde. Die erste Überraschung war, dass wir ohne lange Wartezeit mit unserem Bus bis zum vorgesehenen Parkplatz fahren konnten. 250.000 Menschen waren zu diesem Gottesdienst mit Benedikt XVI. gekommen. Die Organisatoren hatten sogar mit noch mehr Besuchern gerechnet.

Papst Benedikt XVI. (GER) zelebriert die Heilige Messe in München

Der Säkularisierungsprozess beschleunigt sich: Die Kirchen schrumpfen, der Glaube schwindet

In den Medien war vor großen Strapazen und nicht ausreichend Platz gewarnt worden. Mag sein, dass deshalb der eine oder andere daheim blieb. Benedikt XVI. ließ sich nicht vom Augenschein beeindrucken. Er ging mit seinem Predigtthema in die Tiefe. Der Papst sprach über die schwindende Relevanz des Gottesglaubens in Deutschland.

1980 hatte Papst Johannes Paul II. München besucht. Seitdem hatte sich die gesellschaftliche Situation erheblich verändert. Die Wiedervereinigung Deutschlands hatte den Säkularisierungsprozess stark beschleunigt. Die Kirchen waren geschrumpft. Ein sich im Alltag auswirkender Gottesglaube befand sich auf dem Rückzug. Eine Entwicklung, die in unseren Tagen noch dramatischer geworden ist.

In den 1960er Jahren hatte München noch über 70 Prozent Katholiken. 2006 war daraus eine Stadt mit weniger als 45 Prozent Katholiken geworden. Heute sind es gerade noch 29 Prozent. Die Gottesdienstbesucherzahlen sind im stetigen Sinkflug. Heute kommen im Erzbistum München und Freising kaum noch 10 Prozent der Katholiken zum Sonntagsgottesdienst.

Die neue religiöse Unverbindlichkeit gibt keinen Halt

Viele relativieren diese Entwicklung im westlichen Kulturkreis mit der Beobachtung, dass es neben atheistischen und agnostizistischen Tendenzen ein neues religiöses Bewusstsein gebe, wenn auch außerhalb der Kirchen. Diese diffuse Art und Weise eines sehr individuellen Transzendenzbewusstseins ist aber meist kein Glaube mehr an einen personalen Gott, der sich in der Geschichte geoffenbart hat und Mensch geworden ist. Für enttäuschte und verunsicherte Menschen der Wissenschafts- und Technikkultur scheint diese, meist esoterisch aufgeladene Religiosität, ein jederzeit vorhandener Hoffnungsanker zu sein. Man kann sich seiner bedienen, ohne in einer religiösen Institution zu sein. Die Unverbindlichkeit einer solchen Religiosität gibt aber letztlich auch keine Hoffnung auf letzte Gewissheit und Erfüllung.

Die Menschen schwenken Deutschlandflaggen und bayerische Fahnen. Jubelnde Menschenmassen bei der Eucharistiefeier mit Predigt von Papst Benedikt XVI. auf dem Freigelände der Neuen Messe in München am 10. September 2006 während seiner Auslandsreise nach Bayern vom 9. bis zum 14. September 2006.

Gott: Das Zentrum der Wirklichkeit und unseres eigenen Lebens

Bei seinem Pastoralbesuch in Bayern wählte Papst Benedikt XVI. die Gottesfrage als erstes Predigtthema. Damit sprach er gleich eines der wichtigsten Probleme für die Kirche in unserer heutigen Gesellschaft an. Ausgehend von den biblischen Texten des 23. Sonntags im Lesejahrs B (1. Lesung: Jes 35,4-7a, 2. Lesung: Jak 2,1-5, Evangelium: Mk 7,31-37) versuchte der Papst dieses Thema in bewusst einfacher Weise den Gottesdienstteilnehmern nahe zu bringen:

„Alle drei Lesungen sprechen von Gott als Zentrum der Wirklichkeit und als Zentrum unseres eigenen Lebens.“ Dort, wo Gott im Leben der Menschen seinen Platz hat, und das alltägliche Leben durchdringt, gelingt menschliches Leben erst in voller Weise und kann wahre Nächstenliebe in Freiheit ausgeübt werden: „Wenn alle von Gott her denken und leben, dann werden wir gleich, und dann werden wir frei, und dann entsteht die wahre Geschwisterlichkeit.“ Der Primat Gottes im Leben ordnet erst alles und schafft es so, dass die karitative Seite des Christentums frei und innerlich gelebt wird.

Es geht nicht ohne Evangelisierung

Gerade aus Gesprächen mit Bischöfen aus Afrika weiß der Papst, dass in Deutschland zwar die karitative Seite des Christentums sehr betont wird, aber die Glaubensverkündigung eher zweitrangig erscheint: „Und doch ist es gerade die Erfahrung dieser Bischöfe, dass die Evangelisierung vorausgehen muss; dass der Gott Jesu Christi bekannt, geglaubt, geliebt werden, die Herzen umkehren müssen, damit auch die sozialen Dinge vorangehen; damit Versöhnung werde; damit zum Beispiel Aids wirklich von den tiefen Ursachen her bekämpft und die Kranken mit der nötigen Zuwendung und Liebe gepflegt werden können.“

Wie aber kann die Kirche wieder den Glauben an Gott in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit rücken? In seiner Ansprache im Freiburger Konzerthaussaal am 25. September 2011 ruft Benedikt XVI. die Kirche auf, sich zu „entweltlichen“. Dabei geht es nicht darum, weniger in der Welt für andere da zu sein, sondern sich von allem zu befreien, was dem Auftrag der Kirche widerspricht oder ihn schwerer macht, nämlich den Gott der Offenbarung den Menschen nahezubringen. Dabei gilt es zu bedenken: „Der christliche Glaube ist für den Menschen allezeit – und nicht erst in der unsrigen – ein Skandal“.

Eucharistiefeier mit Predigt des Heiligen Vaters und anschließendem Angelusgebet auf dem Freigelände der Neuen Messe in München am 10. September 2006. Papst Benedikt XVI. segnet ein Kind.

Die Welt und jeder Mensch braucht Gott

Die Art und Weise der Glaubensverkündigung darf nicht in einer Art von Proselytismus erfolgen, sondern soll in Freiheit geschehen, die sich selbst Gott öffnet und so von der Schwerhörigkeit gegenüber Gott befreit. Die Welt und jeder Mensch braucht Gott. Dieser Gott ist kein Gott der Gewalten und der Rache. Er ist der Gott der Liebe und Hingabe.

„Seine ,Rache‘ ist das Kreuz: das Nein zur Gewalt, die ,Liebe bis zum Ende‘. Diesen Gott brauchen wir. Wir verletzen nicht den Respekt vor anderen Religionen und Kulturen, wir verletzen nicht die Ehrfurcht vor ihrem Glauben, wenn wir uns laut und eindeutig zu dem Gott bekennen, der der Gewalt sein Leiden entgegengestellt hat; der dem Bösen und seiner Macht gegenüber als Grenze und Überwindung sein Erbarmen aufrichtet“, betont Benedikt XVI.

In dieser Messe wurde das vierte Hochgebet ausgewählt, das durch die Liturgiereform eingeführt und in ostkirchlicher Weise nach antiochenischer Traditionen die heilsgeschichtliche Sendung betont. Das, was Benedikt XVI. über das Wesen des von Christen geglaubten Gottes gepredigt hatte, wurde somit auch eucharistisch gefeiert und sollte immer wieder von neuem für eine ernsthafte und realistische Gottesbeziehung bedacht werden: „Als er (der Mensch, A.d.R.) im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen, sondern voll Erbarmen allen geholfen, dich zu suchen und zu finden.“

Portrait Franz Xaver Heibl, junger Mann mit Brille

Dr. Franz-Xaver Heibl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Papst Benedikt XVI. in Regensburg

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