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Ein Leben aus dem Ostergeheimnis

Dr. Franz Haringer, Theologischer Leiter des Geburtshauses von Benedikt XVI. in Marktl/Inn zum 95. Geburtstag des emeritierten Papstes. Ein Gespräch über den Menschen und den Theologen Ratzinger, über die Bedeutung seines theologischen Erbes für die Zukunft und warum gerade Ratzinger so oft als Blitzableiter herhalten musste.

Portrait von Dr. Franz Haariger, Theologischer Leiter des Geburtshauses von Papst Benedikt XVI.

Wer an Ostern glaubt, für den bleibt eine Freude, die auch durch alle Widrigkeiten nicht niedergedrückt wird.

Eine Frau schaut auf die vor ihr hängende Ausstellung / Bilder an der Wand. Sie befindet sich im Geburtshaus des Papst Benedikt XVI in Bayern in Marktl.

Vor 95 Jahren wurde Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., in Marktl am Inn geboren. Der 16. April 1927 war ein Karsamstag. Auch in diesem Jahr fällt der Geburtstag des Papa emerito auf einen Karsamstag. Benedikt XVI. spricht mit besonderer Dankbarkeit über seine Geburt an einem Karsamstag und seine Taufe noch am gleichen Tag mit dem damals frisch geweihten Osterwasser. Sein Leben sei auf diese Weise von Anfang an in das Ostergeheimnis eingetaucht gewesen, schreibt er in seinem Buch „Aus meinem Leben“.

Ein Leben aus dem Licht des Ostergeheimnisses - inwieweit trifft das in besonderer Weise auf Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. zu?

Zunächst ist Joseph Ratzinger ja schlicht im christlichen Leben seiner Familie aufgewachsen. Die gläubige Gliederung des Tages und der Woche sowie die Mitfeier des Kirchenjahres und der Liturgie haben ihn geprägt. Sein Denken und seine Theologie wollen eigentlich ein Leben lang nichts anderes, als das zu verstehen und zu erklären, was ihm von Jugend an wesentlich wurde. Er tut dies aus der Freude des Glauben-Könnens heraus. Wer an Ostern glaubt, für den bleibt eine Freude, die auch durch alle Widrigkeiten nicht niedergedrückt wird.

Wie wird der 95. Geburtstag Benedikts XVI. in dessen Geburtshaus begangen?

Auch heuer versammeln wir uns zum Geburtszeitpunkt um 4.15 Uhr im Geburtszimmer zu einem Morgenlob im Kerzenschein. Anschließend ziehen wir über die Benediktsäule am Marktplatz zum Taufstein in der Pfarrkirche, wo die Mitfeiernden ihrer eigenen Taufe gedenken.

Anlässlich des 95. Geburtsjahres gibt es im Jahr 2022 ein besonderes Programm. Was ist geplant?

Der Leipziger Maler Michael Triegel zeigt eine Sonderausstellung unter dem Titel „Von Gesicht zu Gesicht“. Auch sein bekanntes Papst-Porträt ist zu sehen. Dazu kommen Veranstaltungen etwa mit Peter Seewald, dem Biographen von Benedikt XVI., und mit Bruno Fink, seinem Sekretär in München und in der Anfangszeit in Rom.

Papst Benedikt XVI. sieht man von hinten, knient vor einem Altar.

Hier geht es um Fragen, die jeden Menschen beschäftigen: Ist der Glaube vernünftig? Entspricht er dem Wesen des Menschen?

Es war das Anliegen Benedikts XVI., dass sein Geburtshaus ein Ort der Begegnung mit Fragen des Glaubens sei. Wie zeigt sich das in der Konzeption der Dauerausstellung?

Natürlich zeigen wir einen besonderen und prominenten Lebenslauf. Doch darüber hinaus gibt es auch Räume, die sich der Theologie von Joseph Ratzinger und seinem Verständnis des Papstamtes widmen. Hier geht es um Fragen, die jeden Menschen beschäftigen: Ist der Glaube vernünftig? Entspricht er dem Wesen des Menschen? Was heißt es, als Hirte Verantwortung zu tragen und sich sowohl dem Evangelium als auch der Lebenswelt der Menschen verpflichtet zu wissen?

Was erwartet Besucher des Geburtshauses von Benedikt XVI.? Was ist zu sehen? Was erfährt man über Joseph Ratzinger? Warum lohnt ein Besuch?

Wir zeigen die Geschichte des Ortes und der Familie anhand vieler historischer Fotos. Man sieht beispielsweise den Taufbucheintrag von 1927, die Bischofsinsignien – Mitra, Stab, Brustkreuz – des damaligen Münchner Erzbischofs, aber auch das Messgewand, das Benedikt XVI. der Pfarrei Marktl bei seinem Besuch 2006 geschenkt hat.

Warum ist ein solcher Ort der Erinnerung wichtig? Was entgegnen Sie Kritikern, die Personenkult beklagen?

Nach der Papstwahl 2005 standen die Leute schlicht und einfach vor der Tür. Auch wenn man über längere Zeit woanders wohnte, so interessieren sich die Menschen doch vor allem für den Geburtsort einer Person der Zeitgeschichte. Wir sind nicht sehr traurig, dass wir kaum Gegenstände aus dem Familienalltag besitzen. So kann der Originalfußboden aus dem Geburtszimmer in aller Einfachheit zum Denken anregen: Wo bin ich daheim und verwurzelt? Kann ich das Leben als Geschenk annehmen? Was bedeutet mir die Taufe? Wie wird mein Lebensweg weitergehen?

Detail der Aussenansicht des festlich geschmueckten und erleuchteten Geburtshauses von Joseph Ratzinger in Marktl am Inn in der Abenddaemmerung. Das Bild zeigt die geoeffnete Tuere sowie eine Gedenktafel im Eingangsbereich des Hauses, und gibt durch ein Fenster den Blick auf eine Fotografie im Innern des Papstgeburtshauses frei

Joseph Ratzinger hat hochgehalten, was für den Glauben unverrückbar ist: Es gibt Gott. Er ist Vernunft und Güte. In der Menschwerdung seines Sohnes hat er sich ein für allemal als die Wahrheit eines jeden Menschen gezeigt.

Im Laufe seines Lebens ist Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. immer wieder zur Zielscheibe massiver und ungerechter Kritik geworden. Warum ist das so?

Ja, immer wieder habe ich den Eindruck, dass er sozusagen als Blitzableiter herhalten musste. Joseph Ratzinger hat hochgehalten, was für den Glauben unverrückbar ist: Es gibt Gott. Er ist Vernunft und Güte. In der Menschwerdung seines Sohnes hat er sich ein für allemal als die Wahrheit eines jeden Menschen gezeigt. Was der Mensch, die Kirche, ja was das Wahre und Gute überhaupt sind, das können die Menschen nicht aus sich selbst heraus erfinden oder definieren. Das ist vielmehr zu suchen und in der Gemeinschaft aller Glaubenden dankbar anzunehmen. Eine solche grundsätzliche Haltung, die freilich für die Sicht des Glaubens selbstverständlich ist, stört natürlich in einer Zeit, in der das Ich des Menschen als letzte Instanz nur noch sich selbst gelten lassen möchte.

Worin besteht das große theologische und spirituelle Erbe Joseph Ratzingers/Benedikts XVI.?

Er selbst sagte einmal, dass er gar keine eigene Sondertheologie kreieren, sondern einfach mit der Kirche und ihren Denkern mitdenken wollte. Er schöpft vor allem aus dem Erbe der Kirchenväter, um so das Neue des Christentums immer wieder plausibel zu machen. Die Frische und die Freude des Anfangs und die Dankbarkeit des Glaubens in der Gemeinschaft der Kirche sind bei Joseph Ratzinger stets zu spüren. Sein Denken nährt sich aus der Liturgie und aus dem geistlichen Leben. So wird deutlich, dass die Theologie kein Selbstzweck ist, sondern sich dem Ersthandeln Gottes verdankt und gerade auch den einfachen Gläubigen ihren Glauben erschließen soll.

Papst Benedikt XVI. fährt am Montag (11.09.2006) in der niederbayerischen Ortschaft Marktl am Inn mit dem Papamobil an seinem Geburtshaus im Ortskern vorbei.

Für das Streben des Menschen nach Wahrheit, Sinn, Leben und Liebe gibt es bis heute keine Antwort, die faszinierender ist als das Christentum.

Warum ist dieses Erbe für die Zukunft von Kirche und Gesellschaft von besonderer Bedeutung?

Gerade während seines Pontifikats hat Benedikt XVI. an Universitäten, vor Parlamenten oder an historischen Orten wegweisende Ansprachen gehalten. Er zeigte auf, dass Europa ohne das Christentum ein anderes Gesicht hätte. So ist der Glaube auch heute noch modern und aktuell, weil er dem Menschen hilft, auch die Vernunft zu weiten. Joseph Ratzinger hat die Gabe, in einfachen und schönen Worten den einfachen Kern des Christlichen auf den Punkt zu bringen. So wird deutlich, dass es für das Streben des Menschen nach Wahrheit, Sinn, Leben und Liebe bis heute keine Antwort gibt, die faszinierender ist als das Christentum.

Was berührt, was inspiriert Sie als theologischer Leiter seines Geburtshauses bei der Beschäftigung mit Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. am meisten?

Schon während meines Studiums konnte ich die Schriften Joseph Ratzingers für mich entdecken. Im Geburtshaus wird sichtbar: Zwar verlief die erste Lebenshälfte als Student und Professor wohl so, wie er es sich erhofft hatte. Doch dann hat er sich in Dienst nehmen lassen als Bischof, Glaubenspräfekt und Papst. Immer deutlicher sieht man auch sein geistliches Ringen mit diesen Herausforderungen. Sich der Vorsehung Gottes und dem Dienst an den Menschen zur Verfügung zu stellen, zerbricht nicht selten erst einmal die eigenen Lebenspläne. Dann aber wird deutlich, dass ich gerade als Lastenträger für Gott und die Menschen eine reichere und tiefere Identität gewinne. Das Pauluswort „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ ist daher für Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. immer bedeutsamer geworden.

Die Fragen stellte Markus Reder.